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Mythos Plattformökonomie – Es kann nicht nur (digitale) Plattform geben!



Digitale Plattformen und Ökosysteme liegen voll im Trend. Viele Unternehmen diskutieren, ob sie nicht auch eine Plattform wie Amazon, Scout24, Delivery Hero oder Flixbus werden sollen bzw. gar schon sind. Doch Achtung: Nicht jedes Unternehmen kann bzw. sollte eine Plattform sein! Denn neben Plattformen existieren noch mindestens zwei weitere strategische Positionierungen, die genauso geeignet sind, als Nutzenführer rentabel und nachhaltig Kundennutzen, Wettbewerbsvorteile und Wachstumspotentiale in Zeiten des digitalen Wandels zu generieren: die Positionierung als Funktionsspezialist oder als Systemintegrator.


Funktionsspezialisten bieten als Pipeline Unternehmen ihren Kunden spezielle Mehrwerte, wie z.B. als Lehrer, Friseur, Handwerker, Maschinenbau- oder Transport-Unternehmen, in der Medizintechnik oder bei der Umsetzung von Industrie 4.0 Aktivitäten. Funktionsspezialisten sind – wie es ihr Name schon sagt – Experten und Nutzenführer in ihrem Bereich und profitieren von hohen Kompetenzen, Qualitätsbewusstsein, fortlaufenden Innovationen und nachweislicher Effizienz. Sie verfügen über verteidigungsfähige und nachhaltige Wettbewerbsvorteile.


Keine Plattform kann ohne genügend Funktionsspezialisten funktionieren: Amazon benötigt die Autoren für die dort angebotenen Bücher sowie die Hersteller der vielen Industrie- und Konsumgüter, die auf dem Amazon Marktplatz angeboten werden. YouTube, Instagram oder TripAdvisor können ohne all die freiwilligen Lieferanten an Inhalten (Videos, Fotos oder Bewertungen) gar nicht existieren und Spotify benötigt die Musiker und ihre Labels als Anbieter des Contents dieser Plattform.


Funktionsspezialisten profitieren von dem Prinzip der Netzwerkökonomie als auch – bei fairem Umgang – von der Plattformökonomie. Die digitale Vernetzung und der damit verbundene globale Zugang zu unterschiedlichen Kundengruppen, eröffnet manchem Funktionsspezialisten erst die eigene Wettbewerbsfähigkeit. Auf einmal finden asiatische Popmusiker Zugang zu europäischen Fans, afrikanische Hersteller Interesse bei amerikanischen Geschäftskunden und europäische Freelancer die Möglichkeit, sich international zu positionieren.


Funktionsspezialist sind auch jene Experten, die andere Funktionsspezialisten koordinieren und steuern. So überwachen in der Baubranche oft selbständige Bauleiter die Entwicklung von Bauwerken, externe Berater die Einführung einer neuen Softwarelösung oder externe Lektoren die Publikation einer Schriftenreihe. Diese Dirigenten oder Orchestratoren sind ebenfalls Funktionsspezialisten.


Kommt es aber zu einer Übernahme der Haftung für die Fertigstellung eines Werkes, wie z.B. einer Immobilie oder einer Maschine, dann sprechen wir nicht mehr von der Rolle eines Funktionsspezialisten, sondern von einem Systemintegrator. Der Generalunternehmer verantwortet beispielsweise gegenüber seinem Bauherrn die erfolgreiche Fertigstellung einer Immobilie, der Fahrzeughersteller die Funktionsfähigkeit seines PKWs, der Computerhersteller die Leistungsfähigkeit seiner Server oder PCs.


Sie alle sind Systemintegratoren und haften für die Qualität der Produkte. Dies setzen sie über zwei Wege um: Zum einen suchen Systemintegratoren eine intensive Wertschöpfungsdichte. Dabei behalten sie soweit möglich die Wertschöpfungskette nahezu in einer Hand, so dass wenig Fremdbezüge, geringe Transaktionskosten und Abhängigkeiten von externen Partnern entstehen. Sie profitieren dann zusätzlich von dem Wegfall der Marge der externen Partner.


Als zweiter Weg existiert die intensiv überwachte Integration der Vorprodukte von unterschiedlichen Funktionsspezialisten. Bei dem Bau der Immobilie wirkten beispielsweise oft verschiedene, selbständig operierende Handwerker mit, oder bei der Erstellung der Fahrzeuge selbst große Zulieferkonzerne, die aber alle von dem Systemintegrator zu einem gesamtverantwortlichen Endprodukt zusammengefasst werden. Der Endkunde hat dabei immer einen zentralen, verantwortlichen Ansprechpartner, den er bei Qualitätsmängeln in Regress nehmen kann.


So mancher Plattform Anbieter ändert gar mit der Zeit seine Positionierung von der Plattform zu einem Systemintegrator: Amazon investiert bereits seit einigen Jahren Milliarden Summen in die eigene Logistik (Flugzeuge, Lagerzentren, etc.), in die eigene IT-Intrastruktur (Amazon Web Services) und eigene Läden (Whole Foods, Amazon Fresh und Amazon Go). Damit verliert das Unternehmen den Vorteil der geringen Investitionskosten einer reinen Plattform, gewinnt aber Nutzeneffekte gegenüber seinen Kunden mit dem Ziel einer erhöhten Kundenbindung. Und auch die Skaleneffekte leiden bei Amazon, was aber bei den überragenden Gewinnen, die das Unternehmen für die letzten Jahre auswies, als Strategie aufgegangen sein sollte. Schlussendlich geht Amazon damit den Weg von einem Plattform-Anbieter zu einem hoch rentablen Systemintegrator mit angeschlossener Plattform sowie seinem eigenen Onlineshop als Funktionsspezialist.





Hier der Link zu der entsprechenden Podcastfolge.

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