Große Veränderungen - wie auch die aktuellen Trends der Digitalisierung und Globalisierung - führen oft zu existentiellen Ängsten vieler Menschen. Aber was sind die Konsequenzen dieser Ängste? Gibt es gar die Möglichkeit, diese Folgen ökonomisch zu betrachten?
Angst gehört unvermeidlich zu unserem Leben Jeden Menschen begleitet sie mehr oder weniger in immer neuen Abwandlungen von der Geburt bis zum Tode. Es gibt völlig normale, alters- und entwicklungsgemäße Ängste, die der gesunde Mensch durchsteht und meistert, deren Bewältigung sogar für seine Fortentwicklung wichtig ist. Sie treibt die Menschen zu Höchstleistungen, schützt vor Gefahren und Risiken, doch kann sie in Konfliktsituation gleichsam die Betroffenen erstarren und resignieren lassen.
Große Veränderungen - wie auch die aktuellen Trends der Digitalisierung und Globalisierung - führen oft zu existentiellen Ängsten vieler Menschen. Solche Ängste klassifizieren namhafte Psychologen, wie z.B. Sigmund Freud, Ernst Riemann und Ralf Schwarzer nachvollziehbar als den stärksten Angsttypen.
Negative Konsequenzen aus Ängsten
Werden diese und andere Ängste unterdrückt und nicht gelöst, so führen sie zu einer Reihe negativer Konsequenzen. Ohne entsprechende Lösungen ergeben sich dann mehrere bewusste und unbewusste Angstabwehrmechanismen (Coping), wie z.B. der bewusste Angriff oder die Flucht bzw. die unbewusste Verdrängung oder Projektion auf Andere. Ungelöste Konflikte bewirken auch körperliche Reaktionen, wie Herzklopfen, feuchte Hände, Muskelzittern oder eine veränderte Körperhaltung (z.B. gebeugt, starr), leise Stimme, Stottern und weit aufgerissenen Augen. Wer in der Folge aus Angst etwas nicht tut, obwohl er es gerne tun würde, entwickelt zudem Aggressionen gegenüber dem Angstverursacher.
Ist die Intensität der Angst sehr hoch oder dauert die gefühlte Bedrohung über einen längeren Zeitraum an, so können diese körperlichen Leiden zu ernsthaften Erkrankungen (z.B. Schlaganfall und Krebs) mit Todesfolgen führen. Außerdem kann sich aus einer normalen Angst eine krankhafte Angst oder sogar eine Angstkrankheit entwickeln. Unter den krankhaften Ängsten verstehen die Psychologen vor allem die „neurotische Angst“ bzw. Phobie, also die Angst vor einer Gefahr, die wir noch nicht kennen. In Deutschland leiden alleine rund 11 Millionen Menschen an diesen psychosomatische Symptomen bzw. Neurosen. Eskaliert eine anfänglich angemessene Angst, da die zugrunde liegende Bedrohung immer stärker wird, dann spricht man sogar von einer eigenständigen Angstkrankheit. Sie resultiert aus lebensbedrohlichen Erkrankungen oder außergewöhnlichen Belastungen, wie z.B. durch existenzielle Gefahren, Langzeitarbeitslosigkeit, sexuellem Missbrauch oder Gewalttaten. Ein Beispiel für eine Angstkrankheit sind Panikstörungen, basierend auf wiederholt auftretenden Panikattacken. Auf der körperlichen Ebene sind dies unter anderem beschleunigter Herzschlag und Herzpochen, Atemnot, Beklemmungs- und Erstickungsgefühle, Missempfindungen der Extremitäten, Muskelzittern oder Schwäche, Übelkeit und Bauchbeschwerden. Eine Panikattacke dauert meistens 10 bis 30 Minuten.
Ökonomische Betrachtung der Angst
Während aber das Phänomen der Angst von der Psychologie (z.B. Psychoanalyse, Arbeits- und Gesundheitspsychologie), der Soziologie, der Philosophie und auch von der Medizin und Neurologie bereits seit langem intensiv erforscht wird, interessieren sich die Wirtschaftswissenschaften (die Ökonomie) nur ganz am Rande für die Arten, Ausprägungen und Konsequenzen der menschlichen Angst. Nur ein einziges Forscherteam hat sich in der Vergangenheit mit der ökonomischen Bedeutung der Angst beschäftigt. Winfried Panse und Wolfgang Stegmann formulierten 1996 vier Kostenblöcke und korrespondierende Kostenhöhen, die aus der Angst resultieren. Dabei untersuchten sie die angstbedingten Fehlzeiten der Mitarbeiter, die angstverursachten, betrieblichen Aktivitäten (wie z.B. dem Einkauf von Versicherungen, externer Berater oder der inneren Kündigung), den angstbedingten Konsum von Alkohol und Medikamenten und die Effekte des Mobbing. Diese vier Kostenblöcke summieren sich alleine für Deutschland auf 91,5 Mrd. Euro, von denen Panse und Stegmann mindestens 50 Mrd. Euro als realistisch halten.
Studie „Preis der Angst“
Der Versuch der beiden Ökonomen, die Kosten der Angst zu messen, ist zu loben. Jedoch konzentrierte sich ihre Studie mit ihren vielen Schätzwerten auf die volkswirtschaftlichen Konsequenzen und weniger auf die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen. Diese sind mindestens genauso wichtig, um auch Manager und Unternehmer von der hohen Bedeutung der Angst zu sensibilisieren. Nur wenn sie direkt sehen, was die Angst ihrer Mitarbeiter sie selbst kostet, ist eine Umkehr in der oft Angst-gesteuerten Unternehmensführung zu erhoffen. Aus diesem Grunde unterstützte in 2003 der Fachbereich für Innovations- und Technologiepolitik der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di den Autor dieses Beitrags bei der Analyse der ökonomischen Kosten der Angst der Mitarbeiter für Unternehmen. Unter dem Motto „Preis der Angst“ wurde damals erstmalig nach einer einheitlichen Messmethode („Angstindex“) der ökonomische Faktor „Angst im Unternehmen“ gemessen. Der errechnete Angstindex ermöglichte eine neue Transparenz und Vergleichbarkeit zwischen Organisationseinheiten und Firmen. Er unterstützte die Identifikation und Extrahierung erprobter Lösungen (sog. „Best Practices“) und Entwicklung konkreter Maßnahmen für die Personal- und Organisationsentwicklung.
Das Besondere des Angstindexes ist die Kombination klassischer Meßmethoden für Ängste mit Controlling-Kennzahlen der Betriebswirtschaftslehre. Erste Forschungsergebnisse bestätigten damals die These, dass ein gewisses Maß an Angst noch motivierend wirken kann, eine Überschreitung jedoch die Mitarbeiter-Motivation und die Innovationsfähigkeit der Unternehmen hemmt. Denn mit ansteigender Angst nimmt die Leistungsfähig und Leistungsbereitschaft der Beschäftigten ab. Es folgen Einbußen der Produktivität und für die Betriebe eine geringere Wirtschaftlichkeit und gesunkene Rentabilität.
Auch wenn es kaum anzunehmen ist, dass eine ökonomische Messung der Angst endgültige, Hundertprozent beweisbare und uniforme Ergebnisse bieten wird, so lieferte die wissenschaftlich fundierte Annäherung an dieses ökonomische Phänomen genügend Daten zur Sensibilisierung der Unternehmensführung. Die Ergebnisse halfen dann der Verhinderung von Angst-basierten Führungsmodellen, der Prävention von Angst-auslösenden Mechanismen, der Verbesserung der betrieblichen Arbeitsbedingungen sowie der Humanisierung der Arbeit. Denn für so manchen Manager war und ist die Angst immer noch ein Führungsinstrument, um Mitarbeiter zu einer oberflächlichen Mehrleistung anzuregen. Ob sich diese „Mehrleistung“ wirklich positiv auf das Unternehmen auswirkt, oder in Wahrheit einen negativen Kostenblock für das Unternehmen darstellt, wird übergangen. Auch die nachweisbaren körperlichen Folgen aus Ängsten, von einem einfachen gesundheitlichen Leiden bis hin zu Krebs oder dem Tod, wird von Unternehmen als keine sie direkt betreffende Konsequenz registriert.
Gerade in den heutigen Zeiten, in denen Fachkräfte gesucht werden ("War of Talents"), gleichzeitig aber die Generation Y ehemals gelebte Ziele und Mechanismen hinterfragt, ist Angst nur noch rein leistungsfördernd einzusetzen. Wer mit zu viel Angst führt, verliert vor allem seine Leistungsträger! Genügend Wettbewerber bieten attraktivere, Angst-reduzierte bzw. gar Spaß-verbreitende Arbeitsplätze an.